

Zerstreuungen
pp. 61-93
in: Gabriele Brandstetter, Sabine Doering, Günter Blamberger (eds), Kleist-Jahrbuch 2007, Stuttgart, Metzler, 2007Abstract
In Kleists Briefen um das Jahr 1801 ist von einer »unaussprechliche[n] Leere« die Rede (DKV IV, 206), in seiner Seele sehe es aus »wie in dem Schreibtische eines Philosophen, der ein neues System ersann, u einzelne Hauptgedanken auf zerstreute Papiere niederschrieb« (DKV IV, 139).3 Am 16. August 1800 berichtet er nach nur wenigen Tagen Aufenthalt in Berlin an Wilhelmine von Zenge, er sei »überzeugt, daß wenn man die Augenblicke der Zerstreuung zusammenrechnen wollte, kaum eine kleine Viertelstunde herauskommen würde. Nichts zerstreute mich« (DKV IV, 68f.).4 So bleibt dem Ruhelosen als Quintessenz der Gedanke der Zerstreuung, um ihn vor der Leere zu bewahren, eine Flucht in die fortgeführte Haltlosigkeit per se, die ihn aus dem Hier und Jetzt fliehen lässt: »In dieser Angst fiel mir ein Gedanke ein. / Liebe Wilhelmine, laß mich reisen« (DKV IV, 206).5