

Natur und Humanität des Menschen
pp. 171-206
in: , Der Mensch inmitten der Geschichte, Stuttgart, Metzler, 1990Abstract
Das Wissen um die Natur des Menschen hat sich in unserer Zeit in das Verstehen seiner geschichtlichen Existenz verlegt. Die Überzeugung von einer immer gleichen Natur des Menschen gilt dem modernen, historisch-gebildeten und geschichtlichen Denken als ein unzeitgemäßer Rückfall in einen längst überwundenen Naturalismus. Schon Dilthey hat in der Konsequenz seines prinzipiell historischen Denkens gesagt, daß der »Typus Mensch« im Prozeß der Geschichte »zerschmelze« und daß es überhaupt mit der Metaphysik der Substanzen vorbei sei. Heidegger ist noch einen Schritt weiter gegangen. Er hat den Historismus Diltheys radikalisiert und dadurch scheinbar standfest gemacht. Geschichte ist für ihn nicht mehr die ausgebreitete Mannigfaltigkeit wechselnder Lebensweisen und Weltanschauungen, sondern im Wesen des menschlichen Daseins als einer zeitlichen Existenz verankert. In den Schriften nach Sein und Zeit geht Heidegger auch darüber hinaus, indem er den letzten Grund der Geschichtlichkeit des Daseins in das Sein selbst verlegt. Das Sein ist ein Seinsgeschehen und seine Wahrheit ein Wahrheitsgeschehen, das sich von Zeit zu Zeit schicksalhaft wandelt.